Meine Chefin ist ein Roboter! Was bedeutet KI für die Zukunft der Führung?
Eine bahnbrechende Ankündigung sorgte im August 2022 für weltweite Aufmerksamkeit: Der renommierte chinesische Softwaregigant NetDragon Websoft hat Tang Yu zur neuen Chefin ihres bedeutendsten Tochterunternehmens ernannt. Doch hierbei handelt es sich nicht um eine gewöhnliche Personalentscheidung – denn Frau Yu ist kein Mensch, sondern ein revolutionärer humanoider Roboter, der von künstlicher Intelligenz unterstützt wird. Die Vorstellung einer virtuellen Führungskraft mag zunächst surreal klingen, doch diese Entwicklung verspricht weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft.
„Die Ernennung ist eine Pionierleistung bei der Nutzung von KI, um die Unternehmensführung zu transformieren und die betriebliche Effizienz auf ein neues Niveau zu heben.“ Als CEO soll Tang Yu „die rationale Entscheidungsfindung im operativen Tagesgeschäft unterstützen“, „eine entscheidende Rolle in der Entwicklung von Talenten spielen und allen Mitarbeitenden einen fairen und effizienten Arbeitsplatz gewährleisten.“ Das Unternehmen performt seit „Amtsantritt“ ihrer KI-CEO überdurchschnittlich an der Börse.
Die Robo-Managerin – eine zukunftsweisende Pionierleistung oder eine alles andere als wünschenswerte Vorstellung für die Zukunft?
Neue Formen der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine
Künstliche Intelligenz (KI) hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Sie hat Einzug in unser tägliches Leben gefunden, ob in Form von Sprachassistenten, Gesichtserkennung, personalisierte Empfehlungen für Musik, Filme und Produkte oder Chatbots und virtuelle Assistenten im Kundenservice, um nur einige Beispiele zu nennen. Wir haben uns in vielen Bereichen bereits daran gewöhnt, dass sich unsere Kommunikation durch KI verändert. Spätestens mit dem Hype um ChatGPT ist vielen von uns klar geworden, dass in der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ein neues Spielfeld eröffnet worden ist.
KI beeinflusst die Arbeitswelt und damit auch die Art und Weise, wie Unternehmen geführt werden. Das führt zu neuen Themenfeldern, mit denen sich Führungskräfte befassen müssen.
KI und Leadership
Eine Studie von Microsoft aus dem Jahr 2019, an der Führungskräfte aus 13 Ländern teilnahmen, zeigt, dass wachstumsstarke Unternehmen mehr als doppelt so oft KI nutzen als langsam wachsende Unternehmen. Führungskräfte in den schnell wachsenden Unternehmen gaben in der Studie an, KI vor allem in der Entscheidungsfindung und für die strategische Ausrichtung ihrer Organisation nutzen zu wollen. KI wird demnach als Wachstumstreiber und Möglichkeit zur Effizienzsteigerung gesehen – von der Automatisierung von Kundenanfragen über die Optimierung von Logistikprozessen bis hin zu Recruiting und Personalmanagement. Die Zeitersparnis soll es Führungskräften ermöglichen, sich mehr auf die Führungsarbeit zu fokussieren wie die Inspiration und Motivation der Mitarbeitenden oder das Setzen der richtigen Ziele.
Können KI-Systeme Menschen als Führungskräfte ersetzen?
Wir befinden uns ganz am Anfang der Diskussion darüber, wo und wie KI-Technologie traditionelle Führungsaufgaben übernehmen und vielleicht sogar die klassische Unternehmensführung transformieren kann. Vieles wird durch die weitere Entwicklung der KI-Technologie beeinflusst. Aber auch viele rechtliche, politische und ethische Fragen im Zusammenhang von KI und Führung in Unternehmen werden uns noch beschäftigen, auf die wir heute (noch) keine Antworten haben.
Es gibt Argumente dafür, dass „KI-Chefs“ zukünftig in der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle spielen werden, weil sie z. B. große Datenmengen in kurzer Zeit analysieren und so quasi in Echtzeit vielleicht bessere und fundiertere Entscheidungen treffen können. In einer komplexen und sich schnell wandelnden Umwelt kann dies ein Vorteil sein.
Persönlich glaube ich nicht daran, dass in absehbarer Zeit eine KI-Maschine als oberste Entscheidungsinstanz eines Unternehmens Menschen völlig ersetzen wird. Genauso wenig glaube ich, dass ein Großteil menschlicher Führungskräfte ersetzt werden kann. Robo-Manager haben – Stand heute – keine Emotionen oder menschliche Eigenschaften wie Empathie, Intuition oder transformative Kreativität. Und gerade diese Fähigkeiten werden von Führungskräften zunehmend verlangt, wie es zahlreiche Studien darlegen. Genauso wenig kann eine KI Verantwortung für ihre Entscheidungen oder Mitarbeitenden übernehmen. Oder was, wenn Fehler passieren? Wer ist verantwortlich für die Fehlentscheidung der KI? Was passiert, wenn sich eine Mitarbeiterin nicht an die Anweisung der KI hält? Wer führt die KI? Gibt es jemanden, der für die KI verantwortlich ist und aufpasst?
Auf den Punkt gebracht, kann man mit heutigem Wissenstand sagen: Es gibt Führungsaufgaben, die für uns Menschen schwierig und für KI eher einfach sind. Sie ist unter anderem besonders stark darin, sich wiederholende und routinemäßige Aufgaben zu erledigen sowie systematisch und konsequent zu denken. Damit kann sie eingesetzt werden, um Automatisierung voranzutreiben. Umgekehrt gibt es aktuell noch Aspekte und Bereiche der Führung, die für KI schwierig oder unmöglich sind, die aber für uns Menschen einfacher zu sein scheinen und die in der Mitarbeiterführung entscheidend sind.
KI und die Führungskraft von morgen
KI-Systeme haben das Potenzial Führungskräfte bei Routineaufgaben zu unterstützen: Termine planen, Meetings organisieren, Ressourcen und Kapazitäten koordinieren, einfache und wiederkehrende Anfragen beantworten, individuelle Leistungsbeurteilung, potenzielle Engpässe erkennen usw. Auch können sie zukünftige Sparringspartner sein und bei Entscheidungsprozessen unterstützen, da sie große Mengen von Daten sammeln und analysieren.
Damit können KI-Systeme Führungskräften helfen, Zeit zu sparen und den Fokus auf strategische Aufgaben und die Mitarbeiterführung zu richten. Dazu gehört auch, Mitarbeitende in der veränderten Zusammenarbeit mit KI-gestützten Systemen zu unterstützen und zu begleiten.
Durch den Einzug von KI-Systeme können interessante Dynamiken in der Zusammenarbeit von Führungskräften und Mitarbeitenden entstehen und damit auch für die zukünftige Gestaltung von Organisationen. Umso wichtiger wird es für Führungskräfte, sich damit auseinanderzusetzen. Nicht in Zukunft, sondern JETZT.
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